Schematische Darstellung des ATP-Stoffwechsels: Phosphokreatin-Puffer, Glykolyse und mitochondriale Oxidation mit ATP-Synthase

ATP-Stoffwechsel einfach erklärt: So gewinnt der Körper Energie

 

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Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine ärztliche Beratung, Diagnose oder Therapie. Lassen Sie Beschwerden medizinisch abklären.
Redaktion: Primalin-Redaktion
Veröffentlicht am: 21. Dezember 2025
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Kurzfazit

ATP ist die direkte Energieeinheit jeder Zelle. Weil der Körper nur wenige Gramm ATP vorrätig hat, wird es ununterbrochen neu hergestellt – in der Größenordnung von Dutzenden Kilogramm pro Tag. Dafür greifen die Zellen je nach Situation auf drei sich ergänzende Systeme zurück: das sehr schnelle Phosphokreatin-System, die mittelschnelle Glykolyse und die ausdauernde mitochondriale Verbrennung von Zucker und Fett. [1]

Was ist ATP – Definition, Funktion und täglicher Umsatz

Adenosintriphosphat (ATP) ist ein Molekül mit drei Phosphatgruppen. Beim Abspalten einer dieser Gruppen wird chemische Energie frei, die Proteine als Zahlungsmittel für Arbeit nutzen: Muskelkontraktion, Ionenpumpen, Biosynthesen, Nervensignale. Die Zelle hält die ATP-Konzentration hoch und die von ADP/AMP niedrig. Dieses Verhältnis steuert Enzyme wie ein Thermostat. Trotz des großen Bedarfs liegen zu jedem Zeitpunkt nur etwa 50–100 Gramm ATP im Körper vor; es wird ständig recycelt. Rechenbeispiel: Bei einem Tagesenergieverbrauch von etwa 1 700–2 400 kcal entspricht das grob 50–100 Kilogramm hydrolysiertem und wiederhergestelltem ATP – derselbe Schein geht also im Minutentakt von Hand zu Hand. [1]

Merkbild: Stromnetz und Akkus

ATP ist die Steckdose direkt am Gerät. Der große Energiespeicher sind nicht ATP-Haufen, sondern die Kraftwerke (Mitochondrien) und Akkus aus Nährstoffen. Die Steckdose liefert sofort, weil Kraftwerk und Akkus im Hintergrund permanent nachladen. [6]

Energiesysteme im Überblick: Phosphokreatin, Glykolyse, Mitochondrien

Keines der Systeme ist allein an oder aus. Sie überlappen, aber je nach Belastung verschieben sich die Anteile.

Phosphokreatin-System (sehr schnell, sehr kurze Dauer)

In den ersten Sekunden einer intensiven Aktion liefert Phosphokreatin über die Kreatinkinase Phosphat direkt an ADP. Das geht praktisch ohne Verzögerung, ist aber nach wenigen Sekunden erschöpft. Kreatin als Nahrungsergänzung erhöht den Phosphokreatin-Vorrat im Muskel und damit die Pufferkapazität für Sprints, schwere Lifts und die Regeneration zwischen Intervallen. [2][3]

Glykolyse (schnell, mittlere Dauer)

Die Zerlegung von Glukose zu Pyruvat erzeugt ATP im Zytosol. Wenn Sauerstoff knapp ist oder Leistung sehr hoch, wird Pyruvat in Laktat umgewandelt. Laktat ist kein Abfall, sondern ein transportfähiger Energieträger und Signalstoff, der von Herz, Leber und gut durchbluteter Muskulatur weiterverwertet wird. [4][5]

Mitochondriale Oxidation (langsamer Anlauf, hohe Ausdauer)

In den Mitochondrien entstehen aus Pyruvat oder Fettsäuren über den Citratzyklus Reduktionsäquivalente (NADH, FADH2). Die Elektronentransportkette pumpt damit Protonen über die innere Membran. Der so entstehende Protonengradient treibt die ATP-Synthase an. Diese Kopplung ist der Hauptlieferant für ATP bei Ruhe und Ausdauerbelastung. [6]

Merkbild: Drei Zahnräder

Das kleine Zahnrad (Phosphokreatin) dreht sofort los, stoppt aber schnell. Das mittlere Zahnrad (Glykolyse) greift nach und überbrückt. Das große Zahnrad (Mitochondrien) braucht einen Moment, trägt dann aber den Großteil der Arbeit, solange Brennstoff und Sauerstoff vorhanden sind. [2][4][6]

Von der Glykolyse zum Citratzyklus: Schritt für Schritt zur ATP-Bildung

Aus einer Glukose entstehen im Zytosol zunächst zwei Moleküle Pyruvat und ein kleiner ATP-Vorschuss. Im Mitochondrium wird Pyruvat zu Acetyl-CoA, das in den Citratzyklus eintritt. Pro Glukose liefert dieser Weg – je nach Shuttle, das Cytosol-NADH in die Mitochondrien überträgt – ungefähr 30 bis 32 ATP. Der Unterschied stammt aus der Wechselkursfrage: Je nachdem, ob Zellen das Malat-Aspartat-Shuttle oder das Glycerin-3-Phosphat-Shuttle nutzen, ist die Ausbeute etwas höher oder niedriger. Die Atmungskette endet mit Sauerstoff als Elektronenakzeptor. Ohne ihn staut sich alles auf und die Zelle muss vorübergehend auf Laktatbildung ausweichen, um NAD+ wieder bereitzustellen. [7]

Fettverbrennung und β-Oxidation: ATP-Ausbeute und Sauerstoffbedarf

Fettsäuren werden in der β-Oxidation schrittweise zu Acetyl-CoA abgebaut. Diese Einheiten laufen in denselben Citratzyklus wie Glukose. Weil Fettsäuren stärker reduziert sind, liefern sie pro Gramm mehr ATP als Zucker – aber mit höherem Sauerstoffbedarf pro ATP. Eine typische 16-Kohlenstoff-Fettsäure (Palmitat) ergibt netto etwa 106 ATP-Moleküle. Im Ausdauerbereich dominiert deshalb bei gut trainierten Menschen die Fettverbrennung, während bei sehr hoher Leistung Glukose den Vorrang erhält. [7]

Laktat-Shuttle: warum Laktat kein Abfall ist

Laktat erlaubt Zellen, Glykolyse kurzfristig hochzufahren, und transportiert Energie dorthin, wo Mitochondrien sie effizient verbrennen können – etwa zum Herzmuskel. Auch das Gehirn und andere Gewebe nutzen Laktat als wichtigen Kohlenstoffträger. Die Leber kann Laktat zudem über den Cori-Zyklus wieder in Glukose verwandeln, was allerdings Energie kostet. Training verschiebt den Punkt, an dem Laktat sich anreichert, nach oben: Die Mitochondrienkapazität steigt, der Stau beginnt später. [4][5][11]

Regulation: AMP/ADP/ATP, AMPK und Hormone

Das unmittelbare Signal ist der Energiezustand: Sinkt das ATP/ADP/AMP-Verhältnis, schalten Enzyme auf Beschleunigung. AMP aktiviert AMPK, eine Art Energiemonitor, der Aufnahme und Verbrennung von Nährstoffen ankurbelt und energiezehrende Synthesen drosselt. Kalzium aus dem Sarkoplasmatischen Retikulum dient in Muskelzellen als zweites Signal und koppelt Kontraktion direkt an den Stoffwechsel. Sauerstoffversorgung, Durchblutung, Temperatur und pH beeinflussen die Enzymgeschwindigkeiten zusätzlich. Hormone setzen den Rahmen: Insulin fördert Einlagerung und Brennstoffzufuhr in Ruhe; Adrenalin und Glukagon mobilisieren Glukose und Fettsäuren in Belastung oder Fasten. [8]

Merkbild: Ampel und Kreisverkehr

AMPK ist die Ampel am Kreisverkehr. Viel AMP schaltet auf Grün für Aufnahme und Verbrennung, wenig AMP auf Gelb. Hormone sind die Polizei, die bei Großverkehr Spuren freigibt oder sperrt. [8]

Kreatin und Phosphokreatin: schneller ATP-Puffer

Der Kreatin-Phosphat-Puffer hält die ATP-Konzentration zu Beginn einer Belastung stabil und beschleunigt die Regeneration zwischen kurzen, intensiven Anstrengungen. Bei hoher Leistung wandert das energiereiche Phosphat in Millisekunden von Phosphokreatin auf ADP. Ergänzend fungiert Kreatin als Shuttle zwischen Orten hoher ATP-Produktion (Mitochondrien) und -Verbrauch (Myofibrillen). Eine gut gefüllte Phosphokreatin-Kasse gleicht kleine Engpässe aus, bis Glykolyse und Mitochondrien voll übernehmen. [2][3]

Organspezifische Unterschiede: Herz, Muskel, Gehirn, Erythrozyten

Herzmuskelzellen besitzen eine hohe Mitochondriendichte und verbrennen bevorzugt Fettsäuren und Laktat; sie sind auf durchgehende Oxidation angewiesen. Skelettmuskeln sind gemischt: schnelle Fasern liefern hohe Leistung mit viel Glykolyse, langsame Fasern sind oxidative Dauerläufer. Erythrozyten besitzen keine Mitochondrien und gewinnen ATP ausschließlich aus Glykolyse; ihr Laktat wird andernorts recycelt. Das Gehirn arbeitet vorwiegend mit Glukose, nutzt in längeren Fastenphasen auch Ketonkörper; Laktat kann unter Belastung und in bestimmten Situationen bevorzugt in den Citratzyklus eingespeist werden. [11][4]

Trainingseffekte: mehr Mitochondrien, bessere Flexibilität

Ausdauertraining erhöht die mitochondriale Kapazität und die Enzymaktivität der oxidativen Wege; die großen Zahnräder greifen früher und kräftiger. Hochintensives Intervalltraining stärkt beides: die maximale aerobe Leistung und die Pufferung für schnelle Wechsel. Kraft- und Sprinttraining vergrößern Phosphokreatin-Vorräte und Enzyme der Glykolyse. Die Gesamtwirkung ist eine bessere metabolische Flexibilität: Je nach Anforderung kann der Körper schnell zwischen Kraftstoffen und Systemen wechseln. [9][10]

Kopplungseffizienz der Atmungskette: Leistung vs Wärme

Die ATP-Ausbeute pro Sauerstoffmolekül ist variabel. Protonen können an der ATP-Synthase vorbeifließen, sogenannte Leckströme. Das senkt die Ausbeute, produziert aber Wärme und kann reaktive Sauerstoffspezies begrenzen. Braunes Fettgewebe nutzt gezielte Entkopplung für Thermogenese. Schilddrüsenhormone und Kälteanpassung verschieben diese Balance. [6]

ATP unter Sauerstoffmangel und mitochondrialer Dysfunktion

Bei Hypoxie stoppt die Atmungskette, die Zelle stützt sich notgedrungen auf Glykolyse und Laktat – eine Notlösung mit geringerer ATP-Ausbeute pro Glukose und erhöhter Säurelast. Bestimmte Medikamente, genetische Defekte, schwere Entzündungen oder eine ausgeprägte Insulinresistenz können die mitochondriale Funktion dämpfen. Klinisch zeigt sich das in verminderter Leistungsfähigkeit, erhöhter Laktatbildung unter Belastung und langsamer Regeneration. [6][8]

Wie man den ATP-Stoffwechsel misst: Laktat, VO₂, Performance

Im Labor wird ATP nicht direkt bestimmt. Stattdessen nutzt man Stellvertreter: Laktat unter standardisierter Belastung, Atemgase mit VO₂-Messung, indirekte Hinweise wie Erholungsherzfrequenz oder Zeit bis zur Leistungsplafondierung. In der Biopsie oder mit spezialisierten Verfahren lässt sich Mitochondrienfunktion genauer testen, was aber Zentren mit entsprechender Ausstattung vorbehalten bleibt. [10]

Kurzzusammenfassung

ATP ist kein Speicher, sondern eine ständig fließende Währung. Die Schnellkasse Phosphokreatin, die Brücke Glykolyse und das Kraftwerk Mitochondrien arbeiten gleichzeitig und werden je nach Tempo und Dauer unterschiedlich gewichtet. Training, ausreichende Sauerstoff- und Brennstoffzufuhr sowie eine intakte Regulation durch Enzyme und Hormone halten das System effizient. Kreatin füllt die Kurzzeitkasse auf, Ausdauer steigert die Kraftwerkskapazität – zusammen machen sie den Stoffwechsel schneller, stabiler und widerstandsfähiger. [2][9][10]

FAQ

Wie lässt sich ATP in einem Satz erklären?

ATP ist die sofort nutzbare Energieeinheit der Zelle, die bei fast jedem biologischen Prozess als Bezahlmittel eingesetzt wird. [1]

Wie viel ATP setzt der Körper täglich um?

Je nach Energieverbrauch werden etwa 50–100 Kilogramm ATP pro Tag hydrolysiert und wiederhergestellt; das entspricht grob einem Tagesumsatz von rund 1 700–2 400 kcal, die laufend in ATP-Arbeit übersetzt werden. [1]

Ist Laktat ein Abfallprodukt?

Nein. Laktat ist ein transportfähiger Brennstoff und Signalstoff, den Herz, Gehirn und Muskulatur verwerten; die Leber kann ihn wieder in Glukose zurückführen. [4][5][11]

Was bringt Kreatin für den ATP-Stoffwechsel?

Kreatin vergrößert die Phosphokreatin-Speicher im Muskel. Dadurch steht in den ersten Sekunden harter Belastungen schneller Phosphat zur ATP-Regeneration bereit und die Erholung zwischen intensiven Sätzen verkürzt sich. [2][3]

Wie viele ATP entstehen aus einer Glukose und aus Palmitat?

Aus einer Glukose entstehen je nach Shuttle etwa 30–32 ATP. Aus der 16-Kohlenstoff-Fettsäure Palmitat resultieren etwa 106 ATP. [7]

Wann nutzt der Körper eher Fett, wann eher Glukose?

Bei moderater, längerer Belastung überwiegt Fettverbrennung wegen der hohen Ausdauerfähigkeit des Systems. Bei sehr hoher Leistung dominiert Glukose, weil sie mit weniger Sauerstoff pro ATP umgesetzt werden kann und schneller ATP liefert. [7]

Wer steuert, wie stark ATP produziert wird?

Sinkt das Verhältnis von ATP zu ADP und AMP, schaltet die Zelle auf Beschleunigung. AMPK fungiert als Energiesensor und erhöht Aufnahme und Verbrennung von Brennstoffen, während anabole, energiezehrende Prozesse gebremst werden. Hormone und Kalziumsignale setzen zusätzliche Rahmenbedingungen. [8]

Wie verbessert Training den ATP-Stoffwechsel?

Ausdauertraining erhöht Mitochondrienzahl und -leistung, Hochintensitätsreize stärken zugleich aerobe Kapazität und die Pufferung für schnelle Wechsel. Kraft- und Sprinttraining vergrößern Phosphokreatin-Vorräte und verbessern die Glykolyse-Enzyme. Ergebnis ist mehr metabolische Flexibilität. [9][10]


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Quellen (fortlaufend, mit Evidenzbewertung)

  1. [1] BioNumbers. Daily turnover of ATP in humans. Evidenz 8/10.[zurück]
  2. [2] Kreider RB et al. ISSN Position Stand: Creatine supplementation. Evidenz 8/10.[zurück]
  3. [3] Wallimann T et al. The creatine kinase system. Evidenz 8/10.[zurück]
  4. [4] Brooks GA. The Science and Translation of Lactate Shuttle Theory. Evidenz 9/10.[zurück]
  5. [5] Brooks GA. Lactate in contemporary biology. Evidenz 8/10.[zurück]
  6. [6] Brand MD. Efficiency and plasticity of mitochondrial energy transduction. Evidenz 8/10.[zurück]
  7. [7] Fu Z et al. Fatty acid oxidation and ATP-Ausbeute (Palmitat/Glukose). Evidenz 8/10.[zurück]
  8. [8] Hardie DG. AMPK: a nutrient and energy sensor. Evidenz 9/10.[zurück]
  9. [9] Lundby C, Jacobs RA. Adaptations of skeletal muscle mitochondria. Evidenz 8/10.[zurück]
  10. [10] Bishop DJ. High-Intensity Exercise and Mitochondrial Biogenesis. Evidenz 9/10.[zurück]
  11. [11] Hui S et al. Glucose feeds the TCA cycle via circulating lactate. Evidenz 9/10.[zurück]
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