Person misst mit einem Maßband den Taillenumfang vor einem Spiegel als Symbol für die Beurteilung von Übergewicht und Gesundheitsrisiko.

Übergewicht: Was im Körper wirklich passiert

Disclaimer
Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine ärztliche Beratung, Diagnose oder Therapie. Lassen Sie Beschwerden medizinisch abklären.

Autor: Redaktion Primalean
Veröffentlicht am: 7. Dezember 2025
Zuletzt aktualisiert: 

Übergewicht: Was im Körper wirklich passiert

Kurzfazit

Übergewicht ist nicht nur „mehr Gewicht“. Es verändert den Stoffwechsel: Fettgewebe sendet Signale, schürt leise Entzündungen, verschiebt Blutfette und belastet Herz, Gefäße und Organe. Schon 5–10 % Gewichtsverlust verbessern viele Werte messbar. [14][6]

Warum Fettgewebe mehr ist als Polster

Fettgewebe ist aktiv. Es spricht über Botenstoffe mit dem Körper und beeinflusst Hunger, Sättigung, Blutdruck und den Zuckerhaushalt. Wenn die Speicher voll sind, weicht Fett in „falsche Räume“ aus, zum Beispiel in die Leber, die Muskulatur und die Bauchspeicheldrüse. Dort stört es Abläufe: Der Körper reagiert schlechter auf Insulin, die Blutfette geraten aus dem Takt und eine leise Dauerentzündung entsteht. [1][2]

Merkbild: Parkplätze

Fettzellen sind Parkplätze. Solange Parkplätze frei sind, läuft es. Wenn die Speicher voll sind, parken Autos auf Gehwegen und Einfahrten (Leber, Muskel, Pankreas) und blockieren den Verkehr.


Blutwerte, die Orientierung geben

Blutfette

  • ApoB: grob gesagt die Anzahl der „problematischen“ Fettteilchen im Blut. Je höher, desto ungünstiger für die Gefäße.
  • Non-HDL-Cholesterin: fasst die meisten riskanten Fette zusammen. Praktisch und günstig.
  • Triglyzeride: steigen oft bei Insulinresistenz.
  • HDL-Cholesterin: eher Begleitmarker; sehr niedrige Werte sind ungünstig.
  • Lp(a): genetisch festgelegt; unabhängig vom Gewicht relevant.

Leitlinien empfehlen, bei Übergewicht/hohen TG Non-HDL oder ApoB zur Risikoeinschätzung heranzuziehen. [3][15]

Merkbild: Autobahn der Blutfette

Die Blutbahn ist eine Autobahn. ApoB zählt die Lastwagen mit „Baustoff“ für Plaques. Non-HDL ist der Schwerverkehr insgesamt. Triglyzeride sind die überladenen Laster im Feierabendverkehr. HDL ist die Müllabfuhr: hilfreich, aber sie löst Staus nicht allein.


Zuckerstoffwechsel

  • Nüchternglukose und HbA1c: Grundcheck für den mittleren Blutzucker.
  • Nüchtern-Insulin und HOMA-IR: zeigen frühe Insulinresistenz.
  • Zuckerbelastungstest (OGTT) mit Insulin: enttarnt Probleme nach Mahlzeiten.

Diagnoseschwellen: HbA1c < 5,7 % normal; 5,7–6,4 % Vorstufe; ≥ 6,5 % Diabetes. [5]

Insulinresistenz: anschaulich und praxisnah

Kurz erklärt
Insulin = Schlüssel, Zelle = Tür, Zucker = Paket. Normal öffnet ein Schlüssel die Tür. Wenn die Speicher voll sind, lagert sich Fett in Leber und Muskel ab und stört die Feinmechanik des Schlosses. Es braucht mehr Schlüssel (Insulin), um gleich viel Zucker in die Zellen zu bringen. Das ist Insulinresistenz. [1][2]

Warum wird Insulinresistenz mit mehr Körperfett stärker?

  1. Überfüllte Speicher → Fett-Überlauf in Organe
    In Leber und Muskel stören Fettzwischenstufen die Insulinsignale; der Muskel nimmt weniger Zucker auf, die Leber bremst ihre Zuckerfreisetzung schlechter. [1][2]
  2. Leise Entzündung im Fettgewebe
    Gestresstes Fett sendet Entzündungssignale (z. B. TNF-α, IL-6). Dieses „Rauschen“ stört die Signalübertragung von Insulin. [16][17]
  3. Fettleber als Verstärker
    Die Leber produziert auch dann Zucker und Fettpartikel, wenn genug Energie da ist. Das hebt Blutzucker und Insulinbedarf. [2]

Merkbild: Laderampe und Funkverkehr

Die Muskel-Laderampe ist mit Paletten (Fett) zugestellt. Pro Minute geht weniger Ladung (Zucker) rein. Gleichzeitig stört Funkrauschen aus dem Fettgewebe die Anweisungen. Ergebnis: mehr Insulin nötig, um die gleiche Arbeit zu schaffen. [1][16]

Alltagsbeispiel
Croissant + Saft: schneller Zucker + Fett trifft auf volle Speicher → hoher Insulinbedarf, schnellerer Hunger.
Griechischer Joghurt + Beeren + Nüsse; Wasser/Zero: langsamere Zuckeraufnahme, mehr Eiweiß/Ballaststoffe → flachere Insulin-Kurve. Wiederholt man das, entspannt sich das „Schloss“. Mechanismus: weniger Überlauf, weniger Entzündungsrauschen, bessere Muskelaufnahme. [1][2][16]


Entzündung

hs-CRP: Marker für „leise“ Entzündung; < 1 mg/l niedrig, 1–3 mg/l moderat, > 3 mg/l hoch. [12]

Merkbild: Rauchmelder

hs-CRP ist der Rauchmelder. Kein offenes Feuer, aber genug Rauch, um aufmerksam zu werden.


Leber

ALT, AST, GGT: einfache „Leberwerte“. Bei Auffälligkeiten: Ultraschall oder Elastographie, plus einfache Risikoscores.

Merkbild: Lagerhalle

Die Leber ist die zentrale Lagerhalle. Wenn die Speicher voll sind, stapelt sich Fett zwischen den Regalen, die Gabelstapler kommen schlechter durch.


Niere

eGFR und Albumin/Kreatinin im Urin: zeigen frühe Filterschäden.

Merkbild: Wasserfilter

Feines Eiweiß im Urin ist wie Kaffeesatz im Trinkwasser: Der Filter wird undicht.


Herz-Kreislauf-Basis

Blutdruck und Ruhepuls regelmäßig messen. Bei Atemnot oder Schwellungen ärztlich abklären.

Merkbild: Rohrsystem

Zu viel Druck und Partikel im „Wasser“ setzen die Leitungen zu.


Herz und Gefäße: was Übergewicht dort anrichtet

Mehr Fettgewebe verstärkt Stresssignale und Hormonachsen. Der Blutdruck steigt. Viele ApoB-Teilchen liefern „Baumaterial“ für Ablagerungen. Entzündung stört die Weitstellung, Gefäße werden steifer. Dauerlast kann den Herzmuskel verdicken; Vorhofflimmern wird wahrscheinlicher. Schlafapnoe treibt Blutdruck und Zuckerprobleme zusätzlich. [3][1][2]

Merkbild: Stadtversorgung

Herz = Wasserwerk, Gefäße = Leitungen. Zu hoher Druck + zu viele Partikel = lokale Störungen, später Ausfälle.

Organe im Überblick

  • Leber: Fetteinlagerung bis Entzündung; auf Dauer droht Vernarbung. 7–10 % Gewichtsverlust verbessern Leberfett und Entzündung, ≥ 10 % begünstigt Fibrose-Rückgang. [6]
  • Bauchspeicheldrüse: produziert erst mehr Insulin, ermüdet später; Diabetesrisiko steigt. [1][2]
  • Niere: erst Überleistung, dann schleichende Filterstörung.
  • Gehirn/Schlaf: Schlafapnoe verschlechtert Blutdruck und Zucker; Abnahme hilft. [13]
  • Lunge: Bauchfett schränkt die Atmung ein; Asthma kann sich verschlechtern.
  • Gallenblase: Gallensteine häufiger.
  • Gelenke: mehr Last und Entzündung bedeuten mehr Verschleiß.
  • Fruchtbarkeit: Zyklusstörungen bei Frauen; bei Männern sinkt oft Testosteron.
  • Haut: Reizungen in Hautfalten; dunklere Verfärbungen bei Insulinresistenz.

Merkbild: Orchester

Wenn die Speicher voll sind, geraten Instrumente aus dem Takt. Erst rau, später Chaos.


Häufige Folgeerkrankungen

Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, Herzschwäche, chronische Nierenerkrankung, Fettleber, Schlafapnoe, Gicht, Arthrose, Reflux sowie mehrere Krebsarten.

 

BMI: was er kann und was nicht

Der BMI ist schnell und grob. Er unterscheidet nicht zwischen Muskel und Fett. Für sehr Muskulöse und Ältere kann er täuschen. Für die Mehrheit gilt: Ist der BMI klar erhöht, liegt meist auch ein klinisch relevantes Übergewicht vor. Ergänzend sehr sinnvoll: Taille-zu-Körpergröße < 0,5 für Bauchfett-Risiko. [11]

Merkbild: Lineal statt Maßanzug

Der BMI ist ein Lineal. Kein Maßanzug, aber oft ausreichend, um die Richtung zu sehen.


Getränke: Zucker vs. Süßstoffe

Zuckerhaltige Softdrinks und Säfte liefern viele „flüssige Kalorien“ und machen kaum satt. Wenn der Umstieg auf Wasser schwerfällt, sind Light/Zero-Getränke mit Süßstoffen gegenüber Zucker die bessere Option für Gewicht und Blutzucker. RCTs und Metaanalysen zeigen einen kleinen, aber messbaren Vorteil, wenn Zuckergetränke systematisch durch nicht-kalorische Alternativen ersetzt werden. Zur Sicherheit: In der EU zugelassenen Süßstoffe gelten innerhalb der ADI-Grenzen als sicher. Pragmatismus: Zero/Light statt Zucker ist sinnvoll, erste Wahl bleibt Wasser. [7][8][9][10]

Merkbild: Kalorienhahn

Zuckergetränke sind ein offener Kalorienhahn. Light/Zero dreht ihn weit zu. Wasser lässt ihn zu.


Ein kompaktes Start-Paket für die Praxis

  1. Blutdruck, Taillenumfang, Gewicht dokumentieren.
  2. Blutfette: ApoB, Non-HDL, Triglyzeride, HDL; einmalig Lp(a). [3][15]
  3. Zucker: Nüchternglukose, HbA1c; bei Bedarf Nüchtern-Insulin/HOMA-IR oder OGTT. [5]
  4. Entzündung: hs-CRP. [12]
  5. Leber: ALT, AST, GGT; bei Auffälligkeit Bildgebung/Score.
  6. Niere: eGFR, Albumin/Kreatinin im Urin.
  7. Schlaf: bei Verdacht auf Apnoe testen. [13]
  8. Getränke-Schalter: Zucker → Wasser; wenn nötig Zero/Light. [7][8][10]

Was 5–10 % Gewichtsverlust typischerweise bringt

  • Triglyzeride sinken, Non-HDL/ApoB verbessern sich. [3][15]
  • Blutdruck geht runter.
  • Leberfett nimmt ab, Entzündung bessert sich. [6]
  • Insulin wirkt besser, HbA1c fällt bei erhöhten Ausgangswerten. [14][5]
  • Schlafapnoe wird häufig milder. [13]

FAQ

Welche Blutwerte sind bei Übergewicht besonders wichtig?

ApoB, Non-HDL, Triglyzeride, HbA1c, Nüchtern-Insulin/HOMA-IR, hs-CRP, ALT/AST/GGT, eGFR, Albumin/Kreatinin. [3][5][12][15]

Ist der BMI aussagekräftig?

Er ist grob, für die Mehrheit hilfreich. Ergänze den Taillenumfang bzw. das Taille-zu-Körpergröße-Verhältnis < 0,5, um Bauchfett besser abzubilden. [11]

Sind Süßstoffe besser als Zuckergetränke?

Ja, als Brücke zu Wasser: weniger Kalorien und geringere Blutzuckerlast als Zuckergetränke. Erste Wahl bleibt Wasser; Süßstoffe gelten innerhalb der ADI-Grenzen als sicher, die WHO rät aber nicht zum generellen Langzeiteinsatz zur Gewichtskontrolle. [7][8][9][10]


Weitere interessante Artikel

 

Quellen (fortlaufend, mit Evidenzbewertung)

  1. [1] Samuel VT, Shulman GI. The pathogenesis of insulin resistance: integrating signaling pathways and substrate flux. J Clin Invest. 2016;126:12–22. Evidenz 9/10.[zurück]
  2. [2] Shulman GI. Ectopic fat in insulin resistance, dyslipidemia, and cardiometabolic disease. N Engl J Med. 2014;371:1131–41. Evidenz 9/10.[zurück]
  3. [3] Mach F, Baigent C, Catapano AL, et al. 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias. Eur Heart J. 2020;41:111–188. Evidenz 9/10.[zurück]
  4. [4] Kronenberg F, Mora S, Stroes ES, et al. EAS Consensus Statement on Lipoprotein(a) 2022. Eur Heart J. Evidenz 8/10.
  5. [5] American Diabetes Association. Standards of Medical Care in Diabetes—2024: Classification and Diagnosis. Diabetes Care. Evidenz 9/10.[zurück]
  6. [6] Vilar-Gómez E, Martinez-Perez Y, Calzadilla-Bertot L, et al. Weight loss can resolve NASH and fibrosis in NAFLD. Gastroenterology. 2015;149:367–378. Evidenz 8/10.[zurück]
  7. [7] Peters JC, Wyatt HR, Foster GD, et al. Effects of water and non-nutritive sweetened beverages on weight loss: 1-y RCT. Obesity. 2016;24:297–304. Evidenz 8/10.[zurück]
  8. [8] Rogers PJ, Hogenkamp PS, de Graaf C, et al. Systematic review & meta-analysis: low-energy sweeteners and body weight. Int J Obes. 2016;40:381–394. Evidenz 8/10.[zurück]
  9. [9] EFSA ANS Panel. Re-evaluation of aspartame (E951). EFSA Journal. 2013;11(12):3496. Evidenz 8/10.[zurück]
  10. [10] World Health Organization. Guideline on non-sugar sweeteners. 2023. Evidenz 8/10.[zurück]
  11. [11] Ashwell M, Gibson S. Waist-to-height ratio is a better screening tool than BMI. BMJ Open. 2016;6:e010159. Evidenz 7/10.[zurück]
  12. [12] Pearson TA, Mensah GA, Alexander RW, et al. Markers of inflammation and CVD: AHA/CDC Statement. Circulation. 2003;107:499–511. Evidenz 7/10.[zurück]
  13. [13] Foster GD, Borradaile KE, Sanders MH, et al. Weight loss and obstructive sleep apnea (Sleep AHEAD). Arch Intern Med. 2009;169:1619–1626. Evidenz 8/10.[zurück]
  14. [14] Magkos F, Fraterrigo G, Yoshino J, et al. Effects of modest (~5%) weight loss on metabolic function across organs. Cell Metab. 2016;23:591–601. Evidenz 9/10.[zurück]
  15. [15] Sniderman AD, Toth PP, Thanassoulis G, et al. ApoB vs non-HDL-C and LDL-C as indexes of cardiovascular risk. Lancet Diabetes Endocrinol. 2018;6:560–568. Evidenz 8/10.[zurück]
  16. [16] Hotamisligil GS. Inflammation, metaflammation and immunometabolic disorders. Nature. 2017;542:177–185. Evidenz 9/10.[zurück]
  17. [17] Wu H, Ballantyne CM. Metabolic inflammation and insulin resistance in obesity. Circ Res. 2020;126:1549–1564. Evidenz 8/10.[zurück]
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